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Gott der Götter
Ohne Deutung

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Ohne Deutung

Ebenso wie sie keine vollmächtige Weissagung geben können, besitzen die Götzen der Menschheit auch keine Deutung, weder für Natur und Geschichte, noch für Vergangenheit oder Gegenwart. Alle Lebensgebiete hat die Welt Gott entrissen. Sie hat die  Gemeinde als weltfremd und lebensuntüchtig gestempelt. Und doch hat diese in ihrem Gott die einzige Deutung für die Wirklichkeit, welches Gebiet wir auch anpacken: die Deutung für Herrlichkeit und Not, Segen und Fluch im Volkstum, Autorität von Staat und Elternhaus, Unantastbarkeit und Heiligkeit des Lebensvorgangs, Notwendigkeit der Todesstrafe, Dasein von Kampf, Krieg und Wettbewerb; die Deutung dafür, warum Arbeit nie Liebhaberei, Arbeitszeit nie aufs Mindestmass verkürzt, Brot nie vom Fluch des Daseinskampfes, den "Dornen und Disteln" gelöst werden kann; woher und wozu der Rhythmus von Arbeit und Freizeit, Werk- und Feiertag ist; warum auch in die edelsten menschlichen Bestrebungen und Bewegungen das Schlechte hineinfindet; Deutung für die Beziehung zwischen den Geschlechtern, Mensch und Mensch, Untertan und Obrigkeit, Volk und Volk. Gottes Wort gibt Deutung für die Ergebnisse der Naturwissenschaften, die ohne die Botschaft von der Schöpfung aus dem Nichts und dem Wunder eine Kette ohne Anfang bleiben; Deutung für die Gesetze der Geschichte, für Werden und Sterben der Völker; Deutung für die furchtbare Realität des Todes. Durch die Bibel weiß Gemeinde Gottes um die Wirklichkeit der Sünde und des Fluches und versteht darum die Wirklichkeit des Todes.

  Damit versteht aber die "lebensfremde" und "weltferne" Gemeinde Gottes das Leben, die Welt und ihre Zeit besser, als diese sich selber verstehen. Wenn die Menschheit dem Todessturz ihrer alten Götzen zujubelt, sich neuen Götzen in die Arme wirft und ihnen entgegenjauchzt, als hätten sie es gemacht, zittert die Gemeinde und betet an vor Gottes gewaltiger Hand, die wieder einmal Götterdämmerung hereinführte und an das letzte Gericht erinnerte.

  Wenn eine Generation, die nicht mehr umlernen kann, sich nicht in das neue Gesicht der Welt und der Zeit findet, während ein junges Geschlecht sich in die Brust wirft: "Uns gehört die Welt, wir haben es geschafft, unsere  Ideen und unsere Führung"; wenn Alter und Jugend, Überwundene und Sieger sich grollend oder triumphierend in die Augen sehen, weiß die Gemeinde: Das war Gottes Gericht, seine ordnende Hand, und das sind seine Werkzeuge, die von Ihm Vollmacht haben, das Gericht an den alten Göttern zu vollstrecken. So sieht sie die mannigfachen mächtigen oder gewalttätigen Führergestalten der Zeitenwenden. Gemeinde Gottes sieht darin ihren Herrn am Werk und weiß, daß die Mächtigen und die Bewegungen, vor  denen sie so elend dasteht, nur von ihrem Herrn Gewalt und Vollmacht haben.

  Sie weiß aber auch, daß Umwälzungen und Bewegungen in der Geschichte nur der Sturm sind, der vor Gott herbraust - aber Gott ist nicht darinnen, seine Werkzeuge - aber Er ist ganz anders. Gewaltlos, ohne Pracht und Massenwirkung geht Er über die Erde in Seinem Christus, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht, besiegt die Widergötter, erobert die Welt, antwortet auf die  Sehnsucht der Menschheit, enthüllt und ist selbst Ziel und Sinn allen Seins, des Lebens, des Leides und des Sterbens, der Geschichte und der Schöpfung.

  Gemeinde Gottes hat in der Erscheinung Jesu die Deutung ihrer eigenen Gestalt. Sie weiß, daß sie mit Ihm den Knechtsnamen teilt und darum auch Knechtschicksal und Knechtsgestalt teilen muß. Weil sie von der zwiefachen Weise Gottes zu wirken weiß, kommt sie nicht in Versuchung, sich gegen Gewalt und Gesetz, Krieg und Strafe im Staat aufzulehnen, den Staat in eine Kirche umwandeln zu wollen; oder umgekehrt neidend nach den Tischen, verlangend nach Macht und Bundesgenossenschaft dieser Welt sich umzusehen, die Gemeinde zum Staat oder zur Schule zu machen, mit Gewalt und äusserer Ordnung, Propaganda und Reklame das Reich zu bauen. Wie ihr Herr Seine Stimme nicht auf den Gassen erschallen ließ und das geknickte Rohr nicht zerbrach, muß auch sie tun. Sie hat hineingesehen in Gottes Weltpolitik. Sie weiß, daß Sein Werk, das  "die Fürsten wie Lehm zerstampft", nur Sein "fremdes" - Sein stilles Werk in der Knechtsgestalt dagegen Sein "eigenes" ist, und betet an vor der Gnade, daß sie an Seinem "eigenen" Werk teilnehmen darf in Knechtsgestalt.

Von Hellmuth Frey

Die Texte von Hellmuth Frey sind folgendem Buch entnommen: Hellmuth Frey: "Das Buch der Weltpolitik Gottes - Kapitel 40-55 des Buches Jesaja", erschienen im Calwer Verlag, Stuttgart, Band 18 der "Erläuterungen alttestamentlicher Schriften" ebd.


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